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Ende der Freizeiten in der Aumühle nach fast 40 Jahren

Aumühle in Filzmoos: Wia samma? Guat samma!

Diesen „Schlachtruf“ hatte unsere Jugendgruppe in Filzmoos vor Jahrzehnten von einer bayerischen Gruppe gelernt, und dann von der ersten Begrüßung bei der Abfahrt vom Martin-Luther-Haus über die morgendliche Begrüßung auf den Skipisten bis zur letzten Verabschiedung vor dem Martin-Luther-Haus aus vollem Herzen immer wieder gerne skandiert. Sie waren alle wirklich gut, und das wollte man zum lautstarken Ausdruck bringen. Auch die Nachbarschaft des Martin-Luther-Haus konnte so bei diesen Gelegenheiten jahrzehntelang an der Freude der Gruppe teilhaben.

Filzmoosfreizeiten 1984 bis 2019

Wie kam es dazu? Unsere langjährigen Herbergseltern Gustl und Linde Spöttl hatten im großen urigen Wohnhaus ihrer Sägemühle in Filzmoos in den sechziger Jahren ein Jugendheim eingerichtet, das zunehmend Anklang fand. Die Idee, dies für Klassenfahrten zu nutzen, hatte der Kölner Berufsschullehrer Wolfgang Görres Ende der sechziger Jahre. Ich durfte als Gast 1975 mitfahren und habe mir 1980 überlegt, das auch mal für meine allererste „eigene“ Klasse als Klassenfahrt dort durchzuführen. Die waren davon so begeistert, dass viele unbedingt wieder dahin wollten. Also wurde 1981 die erste Bonner Schneefreizeit in den Osterferien organisiert. Seitdem haben Jugendliche in der ersten Woche der Osterferien den richtigen Winter in den Alpen bei der Schneefreizeit kennen- und schätzen gelernt. Dies war zunächst eine freie Bonner Jugendgruppe mit vielen Kölnern und wurde dann 1985 in die Trägerschaft unserer Gemeinde übernommen, da inzwischen überwiegend Jugendliche der Gemeinde Bayenthal teilnahmen. 

Manche, auch der späteren Teilnehmer und Teilnehmerinnen, machen bis heute als Erwachsene privat dort mit ihren Familien einmal im Jahr Urlaub. Naja, die lieben Kleinen der allerersten Stunde sind auch inzwischen gut 57 Jahre alt und manche wandern dort nur noch im Sommer. Aber in der Aumühle schauen sie immer mal rein. 

Es war immer toll, aus dem Kölner Frühling abends am letzten Schultag vor den Osterferien loszufahren, und morgens auf fast 1000m im tief verschneiten Filzmoos anzukommen. Nach einigen Jahren fanden die Busfahrten über Nacht statt (Tipp unseres Busfahrers), und mit Kuschelkissen, in Socken und oft mit dem Knopf im Ohr (wie kann man dabei nur schlafen?) verschliefen meist alle Hin- und Rückfahrt, vor allem die Rückfahrt nach der anstrengenden Woche. Es war aber für viele Tradition um 3 Uhr morgens bei der vorgeschriebenen Lenkzeit-Rast im „Mäckes“ in Greding Fritten und Burger zu naschen. Ich kann sagen: das geht.

Ein pralles Programm

Zum Freizeitprogramm vor Ort gehörten außer dem Erleben und Erwandern des Dorfes und der Hochgebirgswelt das Erlernen und Ausüben des Skifahrens in den Gebieten von Filzmoos, Zauchensee oder am Dachstein, immer unter Anleitung zur Beachtung der Sicherheit und des achtsamen Umgangs mit der Umwelt. Am liebsten war den Gruppen stets das Gebiet in Flachau, wo Familie Riepler in der Jandlalm uns jahrzehntelang als Gäste und „ordentliche“ Gruppe schätzte. 

Viele Freizeitangebote wie Bastelkursen für Elektronik, Fimo oder Naturkosmetik, Gesichtsmasken, Fensterbilder, Siebdruck, Karaoke- und Spieleabende und die Vorbereitung von Abschlusspräsentationen der einzelnen Untergruppen ließen auch keine Langeweile aufkommen. Offene Kommunikationsstrukturen, regelmäßige Leitungs -und Gruppenbesprechungen, Aushänge mit Listen, Infos und Tagesprogrammen, Tischdienste und andere Dienste, und die klaren Hausregeln trugen für alle zum Wohlbefinden durch nachvollziehbare Regeln bei. Ein Dauerbrenner wurde das „Vampirspiel“, bei dem sich über Jahre hinweg am Ende immer die gleiche Person als Vampir entpuppte. War trotzdem spannend bis zum Schluss. 

Wir haben viele Veränderungen in dieser Zeit gesehen

In Filzmoos kam jedes Jahr mindestens ein großer Neubau dazu, große Wohnhäuser, Mehrfamilienhäuser, ein Seniorenheim, Geschäftshäuser, Hotels, Gaststätten. Verständlich, dass von den Jugendlichen gerne die alten und neuen Traditionsorte aufgesucht wurden: Kalahari, Kennedy (=Kenn-I-di ),  Pinocchio, aber vor allem der uralte Fiakerhof, und bei den Nachtwanderungen die Unterhofalm, Oberhofalm und später die Gsengalm, bei denen dann auch erklärt wurde, wieso die Unterhofalm oberhalb der Oberhofalm liegt…

Alte Schlepplifte mit oft sehr langen Wartezeiten (Technik dazu: „aktives Anstehen“= „Nicht abdrängeln lassen“) wurden überall durch schnelle 6er- bis 8er-Sessellifte und Kabinenlifte ersetzt, Spacejet und „Papageno“ und „Mozart“ verringerten Wartezeiten, und niemand trauerte den Bügel- und Tellerliften nach.

Auch die Aumühle veränderte sich sehr. Am Anfang gab es den wirklich alten „Altbau“ als Kern des Hauses, den wir auch zuerst für die anfangs kleineren Gruppen von bis zu 40 Personen nutzten, inkl. der „alten Küche“ für unsere Teambesprechungen. An diesen war bereits vor unserer Zeit ein „Neubau“ angebaut worden, mit einer größeren Küche, aus der heraus die Mahlzeiten in die Speiseräume gereicht wurden: die gebückte Haltung beim Annehmen und Zurückbringen verlangte ungewollt eine sehr demütige Haltung. Hier hieß es dann auch noch „Duschen nur nach dem Abendessen, wir brauchen das heiße Wasser zum Spülen“. 

Als unsere Gruppen größer wurden, nutzten wir dann auch diesen „Neubau“, den wir später dann den „alten Neubau“ nannten, weil wir auch zeitweise bei noch größeren Gruppen von über 100 Personen auch den noch später an der Stelle eines alten Skischuppens angebauten „neuen Neubau“ nutzten. Der „alte Neubau“ wurde dann modernisiert, u.a. mit Nasszellen in jedem Zimmer, wo die Duschen dann auch ausreichend heißes Wasser hatten. Und das hatte nicht einmal der „neue Neubau“. 

Als Sven Görres ab 2005 die Planung und Leitung der Gruppe in vollem Umfang übernahm, hatte er bereits als Teamer und Co-Leiter durch viele Maßnahmen die Abläufe der Freizeit immer weiter verbessert, so dass Leiter und Teamer verwundert jedes Jahr sagten: „das war jetzt die beste Freizeit und die tollste Gruppe, die wir je hatten“. Geht ja eigentlich kaum, war aber Realität.

Es gab aber auch z.B. feste Ausgangs- und Nachtruhezeiten, gestaffelt nach Alter der TeilnehmerInnen, was dann manchmal zu Traurigkeit führte, wenn jemand um 10 Uhr im Jugendheim oder um diese Zeit ins Bett musste, obwohl er doch in drei Tagen Geburtstag hatte und dann in die spätere Gruppe um 11 Uhr gekommen wäre. „So iss et eben“. Da nützte dann auch die erbetene Fernintervention der Erziehungsberechtigten nichts: „Meine Mutter sagt, ich darf das, sie ist hier am Handy“, was freundlich erklärt und abgelehnt werden musste. Manche Leiter sollen dabei strenger gewesen sein, als sie es früher als TeilnehmerInnen gerne gehabt hätten.

Da gab es dann aber auch Lustiges: „Es heißt, dass ich um 22 Uhr ins Bett muss. Ich bin so müde. Darf ich auch früher ins Bett gehen?“ Da hatten die Teamer Tränen in den Augen : „Ist das nicht wunderbar?“. 

Wie geht es weiter ?

Nun ist diese Zeit mit intensiven Erlebnissen nach zwei Jahren Coronapause in der Aumühle leider endgültig beendet, denn das Jugendheim wurde verkauft und wird zu Wohnungen umgebaut. Wir sind den inzwischen verstorbenen Gründern Linde und Gustl Spöttl und Ihrer Tochter Rosi Karner,  natürlich auch Rosis viel zu früh verstorbenen Mann Hermann Karner, sowie den später mitarbeitenden Töchtern unendlich dankbar dafür, dass sie uns dort immer freundschaftlich aufgenommen und uns gut versorgt haben. Es war ein Zuhause für eine Woche.

Manche der TeilnehmerInnen wurden später zu Teamern, und drei von ihnen, Nina, Till und Lennart, haben jetzt vor den Osterferien bei einer Erkundungsfahrt und einem Abschiedsbesuch in der Aumühle von Rosemarie Karner von dort aus in der Gegend nach einem neuen Quartier Ausschau gehalten. Die Aumühle war für alle ein einzigartiger Ort, aber vielleicht finden die Teamer für die Zukunft etwas Neues. Es ist schön, dass sie das anpacken wollen, denn das Erlebnis dieser einen Woche im Schnee war immer etwas Besonderes, wegen der Gegend, der Gemeinschaft, der Natur, den Menschen und dem engagierten Team. Mal sehen, wo dann in Zukunft der Ruf erschallt:

„Wia sammer? Guat sammer! Mei, san mia guat!“

Für die kontakte 02/2022
Klaus von Harleßem